Frederik und sein Buch "Suerte – oder Der Teufelskreis des Glücks". – Fotoquelle: Frederik SuterDiagnose NF2 – und plötzlich war alles anders
Frederik war 17, als seine Welt sich schlagartig veränderte. Noch wusste er die Herausforderungen, vor denen er stand, nicht richtig zu deuten. Und er nahm die Dinge eher leichter, als sie es wirklich waren. Ein Umstand seines Wesens, der ihm hier entgegen kam. Als er rund um Gehörverlust und andere Probleme die Diagnose der erblichen und unheilbaren Krankheit NF2 bekam, nahm er sein Schicksal an. Fortan forderte die Krankheit ihn immer wieder heraus, neue Wege zu suchen und zu beschreiten.
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Ab der ersten Zeile in seinem Buch „Suerte – oder Der Teufelskreis des Glücks“ dürfen wir Frederik hautnah auf seiner Reise begleiten und lernen dabei einen jungen Mann kennen, der trotz seiner Probleme nicht den Mut verliert und Widrigkeiten mit Zuversicht, Willenskraft und einer guten Portion Humor die Stirn bietet. Im Interview erzählt Frederik über seine Krankheit, sein Buch und seine Zukunft.
Was ist NF2?
Frederik: Ein großes A….. *zwinker* NF2 steht für Neurofibromatose Typ 2, einer seltenen (1:35.000) Erkrankung, bei der Tumoren im ganzen Nervensystem wachsen. Typisch sind jeweils zwei auf den Hör- und Gleichgewichtsnerven, durch die wir Betroffenen meist irgendwann ertauben, je nach Wachstum von Tumoren und Verlauf der Krankheit. Dieser ist sehr unterschiedlich, jeder hat eine eigene Geschichte. Auch Tumoren im Rücken und woanders können gefährlich werden. Es sind zwar gutartige Tumoren, aber trotzdem ziemlich fies, wenn sie wachsen und Funktionen zerstören, beschädigen oder bedrohen. Eine regelmäßige Kontrolle unserer zahlreichen „Untermieter“ ist wichtig. Heute ist NF2 noch nicht heilbar, aber es hat sich glücklicherweise schon einiges getan in der Forschung. Die Krankheit ist kompliziert und sehr facettenreich. Mehr Infos findet Ihr unter www.nf2.de und auf dem Blog der Seite erzählen Betroffene oft aus ihrem Leben mit NF2.
Wie gehst Du mit der Situation um? Wie reagieren Andere?
Frederik: Viel wichtiger erscheint mir, wie andere damit umgehen, und der Gedanke daran macht mich sehr traurig. Aber ich freue mich oft darüber, wie mir Menschen begegnen und dann von selbst versuchen, die ungewohnte Situation mit mir zu meistern. Doch das ist auf jeden Fall die Ausnahme, das meiste wird aus Angst vor Scheitern verschwiegen. Ich finde es schwierig, mit fremden Menschen in Kontakt zu kommen. Viele haben keine Geduld, kommen mit dem Anderssein nicht klar oder scheitern an ihren gewohnten Verhaltensmustern, wo etwas Selbstverständliches wie „miteinander sprechen“ eben läuft wie am Schnürchen.
Dann sind da noch das Unwissen und die Unsicherheit. Mich frustrieren viele mit ihren Vorurteilen und Verhalten sehr. Ich frage z.B. oftmals danach, dass Leute für mich etwas aufschreiben, damit ich es lesen kann. Häufiges Beispiel: A: „Hallo?!“ B: Ach sorry, habe sie nicht bemerkt, ich bin taub“ A: „Achso!“ – zack und weg, während ich nach Stift und Zettel suche. Das hat gesessen… Ehrlich gesagt vermeide ich auch selbst ziemlich, spontanen Kontakt entstehen zu lassen, denn er hinterlässt oft Spuren.
Du hörst nichts. Wie kommunizierst Du mit anderen Menschen?
Frederik: Ist ja klar, die genannte Unsicherheit, wer kommt schon auf Anhieb mit einer ungewohnten Situation klar? Aber ich lebe mit der Taubheit jeden Tag und natürlich kenne ich Strategien und auch Techniken, damit die Kommunikation klappt. Die verfügbare Technik heutzutage ist genial, auch wenn es zunächst etwas komisch ist Dinge wie Spracherkennung zur Kommunikation mit einem Menschen zu nutzen, der vor einem steht. Ein bisschen Vertrauen wäre schön. All das erfordert aber Zeit und Einlassen auf Ungewohntes. Ich frag mich dann, wer hier eigentlich ein Problem hat? Darüber bin ich sehr traurig, aber es liegt natürlich auch an mir, Wege aufzuzeigen. Jedenfalls dann, wenn ich glaube, der Kontakt lohnt sich. Ich bin jedenfalls ein Mensch wie jeder andere. Ich wünsche mir, dass Menschen sich respektieren, einander zuhören, sich gegenseitig Zeit geben. Im Allgemeinen und insbesondere bei der Kommunikation mit einer hörgeschädigten oder „etwas anderen“ Person wie mir.
„Etwas andere“ Person? Du kannst nicht gut schlucken, läufst mit Rollator, man versteht Dich kaum beim Sprechen – meinst Du „behindert“?
Frederik: Eigentlich mag ich das Wort „Behinderter“ ja gar nicht, aber es passt perfekt: Oft werde ich am normalen Leben behindert von Anderen. Natürlich, das ist geht mir auch nicht anders, wenn ich beispielsweise einen Blinden sehe, sehe ich erstmal was der nicht kann und das fängt dann an im Kopf zu rotieren und viele Fragen tauchen auf, ich traue mich aber nicht sie zu stellen.
So ist das dann vermutlich auch mit mir. Das finde ich sehr schade, aber Menschen, die nicht in dieses Muster verfallen und ddn Mut fassen, eine vermeintlich saublöde Frage zu stellen, z.b. „wie telefonierst du?“, denen begegne ich dann mit großer Freude und erkläre gerne wie ich das mache. Sie interessieren sich für die alternativen Wege, die ich gehe, die ich lebe und die es überall gibt und sind nicht selten beeindruckt, was es alles gibt und was alles geht. Eine schwere Krankheit haben und/oder nichts zu hören heißt nicht, dass das Leben vorbei ist und man nichts mehr kann. Aber das steht dann alles im Buch drin, sonst rede ich mich hier fusselig.
Was war es für ein Gefühl, als Du von der Diagnose erfahren hast?
Frederik: Ich habe im zarten Alter von 17 Jahren nicht sofort kapiert, wie ernst die Lage ist. Um diese Krankheit in ihrer Komplexität und Ausmaß zu verstehen, dauert es auch einige Zeit.
Wie bist Du damit umgegangen?
Frederik: Ich habe gedacht, gut dann machen die eben in zwei Wochen den Tumor weg, der das Hören und das Gleichgewicht schlechter macht und dann ist alles wieder gut. So wie es viele vom Krankenhaus eben kennen: Rein mit Problemen, raus ohne bzw. mit der Aussicht, dass es wieder besser wird. Dass das bei mir nicht so war, habe ich erst nach und nach realisiert. Diese Anfangsphase war die schlimmste Zeit. Aber ich hab sie geschafft!
Wie gehst Du jetzt damit um?
Frederik: Nach der Phase des Trauerns, Ignorierens, Nicht-wahrhaben-wollens habe ich mein Schicksal angenommen und blicke dem Tiger stets ins Auge. Manchmal reite ich ihn auch und bin dankbar dafür, dass ich lernen durfte wie wertvoll das Leben ist. Heute bin ich zwar viel realistischer, aber ich lasse mir meinen Optimismus nicht nehmen. Auch mit dieser Erkrankung kann das Leben sehr schön sein und eine Menge Stolz über das Erreichte hab ich stets im Gepäck.
Wie stehst Du zu festen Beziehungen? Fällt es dir schwer Dich auf ernste Beziehungen einzulassen?
Frederik: Ja, absolut. Es dauert sehr lange bis ich einem Menschen vertraue, mein Misstrauen ablege und mich auf die Person einlasse. Vielleicht liegt das an den frustrierenden Erfahrungen wie aus dem Beispiel aus der Frage oben, solche Situationen gehören leider zum Alltag. Sowas kostet viel Kraft.
Die Krankheit ist nicht stabil. Was ändert sich – zum Positiven und zum Negativen?
Frederik: Mal ist es so, mal so. Wenn es gerade eine Phase ist, in der NF2 ruhig ist und ich mein Leben genießen kann, das ist eine tolle Zeit. Dank richtig üblen Phasen weiß ich, wie es auch sein kann. Dadurch dass ich schon ziemlich weit unten war, weiß ich diese positiven Phasen besonders zu schätzen. Klar weiß ich auch, dass es schlimmer werden kann. Dann soll es das, mich interessiert nicht was morgen ist – was war ist auch vorbei und lässt mich eines ganz besonders spüren: Den Moment jetzt. Der kommt nur einmal und ich entscheide, was ich damit mache.
Du schreibst in Deinem Buch von einem „Teufelskreis des Glücks“. Was meinst Du damit?
Frederik: Einen Teufelskreis kennen wir ja alle. Ich sehe vor mir so etwas wie einen Strudel, der immer schneller wird, ein Ereignis das nächste anstößt und bei dem man mit zunehmender Geschwindigkeit immer schwerer aussteigen kann. Kein schönes Gefühl. In meiner Zeit, in der es endlich aufwärts ging, Jahre nach einer schweren Operation, glaubte ich in so einem Teufelskreis zu sein. Jedoch in andere Richtung: Ein kleines Glücksgefühl stieß das nächste an, immer schneller, es ging dann von alleine. Es war ein großartiges Gefühl und wollte gar nicht mehr aussteigen. Ich war da und es ging mir vor allem psychisch so gut wie noch nie: Im Teufelskreis des Glücks.
Warum hast Du das Buch geschrieben? Möchtest Du damit bestimmte Menschen erreichen?
Frederik: Eher weniger, ein Buch zu schreiben hatte ich schon länger vorgehabt, und es tat und tut mir gut. Ich wollte sowieso meine Gedichte veröffentlichen, die auch im Buch sind, einigen gefiel mein Schreibstil. Es bereitete mir großen Spaß und ich denke, ich habe auch viel zu erzählen. Außerdem sehe ich es als meine Aufgabe an, meine Familie stolz zu machen. Und viele andere, die mich auf meinem Weg ein Stück begleitet haben. Einige sind auch noch heute dabei auf meinem Weg. Vielleicht kann ich auch den einen oder Anderen inspirieren. Ich bereite sehr gerne anderen Menschen eine Freude oder mache dumme Witze. Sie lachen zu sehen – es gibt für mich kein schöneres Gefühl.
Das was ich von Lesern höre, gibt mir sehr viel Kraft, gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt gerade. Am Feedback was ich bekommen habe, sehe ich wie es anderen guttut und das tut dann wiederum mir gut. Erst neulich kam eine Rezension bei Amazon rein: „Besser als jeder Glücks-Ratgeber“. Das freut mich dann natürlich besonders.
Wie findest Du die Vorstellung, dass durch die Biografie fremde Menschen Details über Dich oder Inhalte Deiner persönlichen Gedanken erfahren? Ist das manchmal ein komisches Gefühl?
Frederik: Nö, mich gibt’s nur einmal und ich bin wie ich bin. Ich habe auch nichts zu verstecken. Das mir jemand schaden könnte, ist mir schon klar, aber ich glaube an das Gute im Menschen.
Das Buch ist ja sehr persönlich. Hast Du auch manchmal Dinge bewusst weggelassen, weil Du sie nicht öffentlich machen möchtest?
Frederik: Nope. Ich hab einfach runtergerattert, was mir in den Sinn kam, keine Rücksicht auf Verluste!
Und der Schreibprozess: Hast Du jeden Tag ein bisschen geschrieben oder ab und zu längere Passagen? Wie lange hast du insgesamt an Deinem Buch gearbeitet?
Frederik: Am Inhalt selber etwas mehr als ein halbes Jahr, mal 2 Wochen nichts, mal an einem Abend ein ganzes Kapitel. Dann kam die langwierige Zeit, den Inhalt weniger chaotisch zu gestalten, zu ordnen, zu verbessern. Dann hat mich eine tolle Verlegerin aufgegabelt und noch mehr korrigiert und verbessert, sodass das Buch richtig toll wurde und nach ca. einem Jahr veröffentlicht.
Gab es besonders emotionale Kapitel, oder Geschehnisse, die Dir schwergefallen sind zu schreiben?
Frederik: Ja, ich denke da an die erste OP, welche mein Leben entzwei teilt. Der „Quasi-Moment“ des Verlusts der Gesundheit und die Erinnerung an all das was ich früher mal konnte, vor allem aber das Hören, wiegt sehr schwer. Ich könnte jeden Tag heulen darüber, aber was bringt’s? Eben…
Welchen Rat würdest Du Menschen mit schweren unheilbaren Krankheiten mit auf den Weg geben?
Frederik: Ich sehe mich nicht so in der Position Rat zu verteilen, vielmehr kann ich nur sagen was mir geholfen hat: Kontakt zu Gleichbetroffenen suchen, Humor bewahren und traurige Phasen zulassen, Stolz auf das Erreichte sein und immer mal wieder über die Grenze hinaustreten und scheinbar Unmöglichem sagen: „Wird schon gehen irgendwie“.
Könntest du dir vorstellen, in deinem Leben später noch ein weiteres Buch zu verfassen?
Frederik: Ja, kann ich schon. Aber ich muss dazu erstmal Stoff sammeln. Momentan hat die Krankheit wieder heftig zugeschlagen. Harte Monate legen hinter mir und vielleicht noch ein paar vor mir. Aber wie sagte eine Freundin zuletzt: „Nach Regen kommt Sonne“ und in der Hinsicht eines weiteren Buches denke ich, ich habe dann genug Stoff in ein paar Jahren. Erstmal wieder aufstehen…
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